Mehltau ist kein Manna

Das Bohnenstangenhäuschen hab ich selbst gemacht; das Hochbeet: selbst gemacht, auch den Baumschnitt: selbst gemacht; Zucchini, Kürbisse, Bohnen: ebenfalls selbst gemacht, oder zumindest selbst gezogen, selbst geerntet, selbst Erntedank gefeiert. Jedem Gärtner geht dieser Halbsatz on high roation über die Lippen, wenn er sich nicht etwas zusammenreißt und ab und zu versucht, so zu tun, als würde im Garten alles von selbst entstehen. Wer sich darin nicht übt, dem geht es wie JMR Lenz (s.u.), der es zeitweise mit Genie-Behauptungen derart übertrieben hat, dass seine Freunde Gebote der Bescheidenheit und des Anstands übertreten sahen. Angesichts seines schnell angewachsenen selbst gemachten Werks hatte Lenz im Grunde recht mit seinem „I’m a genius“-Geplärre. Aber Mitmenschen reagieren eben etwas gebremster auf die Produktpräsentation der Schöpfung als der Schöpfer selbst. Offenbar gilt das für Schöpfungen aller Art. Selbst im Paradies wollte keine rechte intersubjektive Euphorie über das in sechs Tagen selbst gemachte Universum aufkommen.

„365 Tage, 2 Hände, 22 Projekte“ heißt der Untertitel von Susanne Klingners neuem DIY-Buch. Von der Anzahl der Tage abgesehen, hätte Luther diese flotte Synopse auch über Genesis 1, 1-36 schreiben können. Der Titel selbst – „Hab ich selbst gemacht“ – ist ja eine freie Übersetzung von „Genesis“. Wenn so viel Genie-Kult und Schöpfungsallusion nicht einigen Mitspielern aus Susannes Umfeld auf den Zeiger geht … Lenz hatte jedenfalls zuletzt keine Freunde mehr.

Das Besondere an Susanne Klingners Schöpfungsbericht ist, dass er sich nicht auf die Darstellung der Weltentstehung beschränkt, sondern auch eine Art Schöpfungsanweisung enthält. Manchmal rückt die Genesis-Erzählung sogar zugunsten irgendwelcher DIY-Ermutigungen in den Hintergrund. Daher muss man den 365-tägigen Schöpfungsprozess auch nicht in ganzer Länger mitverfolgen. Wie in Kindersendungen heißt es immer wieder: „… and here is one I’ve made earlier.“ Doch es kommt auch vor, dass Susanne ihr Schöpfungsergebnis noch nicht vorstellen kann und so ihre Weltentstehung in eine kleine Krise gerät. Am 182. Tag zum Beispiel:

Wie gern würde ich jetzt in meinen Garten rausgehen, ein paar Zucchini ernten und sie zusammen mit Nudeln braten oder einen Salat daraus zubereiten. Nur leider: Es gibt im Moment nichts zu ernten. Alle kleinen Zucchinifruchtansätze sind in der sengenden, schwülen Julihitze der letzten Tage zugrunde gegangen. Und nicht nur das: Die Blätter meiner Zucchinipflanzen haben Mehltau bekommen.

In der Wonnhalde: das gleiche Bild. Jedoch lässt sich Susannes Begründungsstruktur nicht auf den Freiburger Juli 2011 übertragen: von schwüler Hitze kann keine Rede sein. Feuchte Kälte wirkt sich auf Zucchinipflanzen offenbar ähnlich aus. Wo auch immer der Mehltau herkommt: ich will meine Zucchinipflanzen retten! Wer weiß Rat?

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