Weil das Gras hüfthoch steht, sehe ich aus wie ein Dummi mit meinem grasgrünen Billig-Schieberasenmäher. Lange Halme verheddern sich in der schrottigen Mechanik, mit den Klingen der rotierenden Walze könnte man Neugeborene spielen lassen und wenn der Erde doch ein Gräslein entrissen wurde fliegt dieses meterhoch durch Gegend statt im Auffangsack zu landen. Pöschels von Parzelle 16 haben es sich am Zaun in ihren Liegestühlen bequem gemacht und verfolgen das Spektakel mit Interesse. Vermutlich weil sie keine Unmenschen sind, weisen sie mich darauf hin, dass Egon von der 12 den Schlüssel zum vereinseigenen Benzinrasenmäher besitzt. Ich wische mir ein Gras-Schweiß-Gemisch von der Stirn und trabe zu Egon.
Egon scheint nichts besseres vorzuhaben, kommt Minuten später mit dem knatternden Mäher zu uns und fängt an, unseren Rasen zu mähen. Unentschlossen stehe ich daneben, und reiße ihm kurz darauf die Maschine aus der Hand mit dem freundlichen Hinweis, dass er das ja nicht machen müsse. Darauf steht er eine Weile lang unentschlossen herum, und trabt mit dem Versprechen, gleich wieder zu kommen, von dannen. Haaah! Wunderbar dieses Gefühl, alles kurz- und kleinzumähen. Ich zerschreddere auch viele Nutzpflanzen, wo die Natur aufhört und die Kulturanfängt, ist nicht so einfach zu erkennen.
Kaum habe ich den Höllenmäher wieder auf der 12 abgestellt, und bin zurückgelaufen. Ist auch Egon wieder da. „Die Dachrinne“, deutet er. Ja, die Dachrinne. Die scheint voll zu sein, denn der große Regenwasserkanister ist leer. Da gibt es einen kausalen Zusammenhang. Also rauf auf die Leiter und raus mit dem Mist. Egon bleibt, hält Eimer und Leiter, ich pule hartgebackenes Laub aus der Rinne und so arbeiten wir uns einmal um die Hütte. Auf der Anrainerseite zur 16 kommt Nachbar Pöschel dazu und meint, die komplette Rinne müsse raus, die sei ja gebrochen. Egon hält weiter tapfer die Leiter. Wir diskutieren über den Vor- und Nachteil von Plastikdachrinnen. Angesichts der Tatsache, dass ich NULL AHNUNG von Dachrinnen habe, ist mein Gesprächsanteil erstaunlich hoch.
Kaum ist Egon weg, ich hätte ihm wohl Bier geben müssen, aber ich habe keines, steht Egons rüstige 91-jährige Mutter Erna auf der Matte.
„Jaaa“, sagt sie, jetzt stehe ja bald das Jubiläum zum 100-jährigen Bestehen von Wolkenkuckucksheim I an und en detail erklärt sie uns den Festablauf und welche Rolle wir darin spielten. Und nicht nur das, sondern auch noch die Lebensgeschichte von Erwin. Die Liebste rollt mit den Augen. Und während wir das schreiende Kind in den Wagen packen, rufen uns Pöschels hinterher:
„Der Farn, den könnte man ja mal einkürzen. Aber immer langsam – Rom wurde ja auch nicht an einem Tag erbaut.“
Das ist zwar freundlich gesprochen, aber wir wissen, was gemeint ist.
Die Liebste fragt erschlagen: „Ist das jetzt immer so?“.
Ich beschwichtige und verweise auf unseren Neuheitsstatus. Tief drinnen in mir ruft aber etwas: „Oh, mein Gott.“